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Denkzeit-Gesellschaft e.V.

Projekt: Verschiedene Denkzeit-Trainingsprogramme für deviante Kinder, delinquente Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsene sowie für gewaltauffällige junge Frauen (letztere zwei in Entwicklung)
Träger: Denkzeit-Gesellschaft e.V.
Laufzeit / Förderung:Homepage
Genderspezifik: Denkzeit e.V. hat kürzlich damit begonnen, Trainingsmodule für die Arbeit mit gewaltauffälligen jungen Frauen zu konzipieren sowie die stets gegebenen Geschlechterrollen-Aspekte der Trainings expliziter in die bestehenden Programme zu integrieren

Zielgruppen Die Denkzeit-Klient_innen sind überwiegend durch Impulskontrollstörungen, Affektdurchbrüche, mangelnde Frustrationstoleranz und Gewaltbereitschaft gekennzeichnet. Häufig bilden sich Affektmuster der gruppenbezogenen Feindseligkeit ab, und es werden Konfliktspannungen im Geschlechterrollen-Verständnis erkennbar, die sexistische oder homophobe Haltungen zur Folge haben. Es handelt sich um eine hoch belastete Gruppe von Gewalttäter_innen, die allein durch strafende Sanktionen nicht erreichbar ist.

Diese Täter_innen vermitteln nicht selten glaubhaft, dass sie keine weiteren Gewalttaten mehr begehen wollen und ihre Schuld durchaus anerkennen. Dennoch geraten sie in der Lebenspraxis häufig in konflikthafte Situationen, die zu aggressiven Auseinandersetzungen führen, denen sie sich hilflos ausgeliefert fühlen. Die häufig früh einsetzende und lang anhaltende Delinquenzneigung gründet zumeist in traumatisierenden Erfahrungen der frühen Lebensjahre (Vernachlässigung, Gewalt, Missbrauch). Auch Prozesselemente der geschlechtsspezifischen Sozialisation und Trauma-Erfahrung spielen eine Rolle.

Wichtige Funktionen der Selbst- und Beziehungsregulierung konnten sich aufgrund der schädigenden Beziehungserfahrungen nicht angemessen entwickeln. Die Klient_innen neigen dazu, intensive soziale Beziehungen entweder zu vermeiden oder bereits bei geringen Belastungen abzubrechen. Oft erweisen sich diese jungen Menschen als überaus misstrauisch und in sich zurückgezogen. Andere verhalten sich offen aggressiv, treten provokant auf und lösen immer wieder negative Reaktionen bei ihrem Gegenüber aus.

Methodischer Ansatz Die Denkzeit-Trainingsprogramme sind psychodynamisch fundierte, sozialkognitive Einzeltrainings. Diese sind vor allem auf delinquente Jugendliche und junge Erwachsene gerichtet, die zu impulsiver Gewalt neigen. Hierbei sind auch Aspekte der affektiven Vorurteilsbesetzung, gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und des gewaltorientierten Extremismus berücksichtigt.

Denkzeit e.V. hat kürzlich damit begonnen, Trainingsmodule für die Arbeit mit gewaltauffälligen jungen Frauen zu konzipieren sowie die bei dieser Art Intervention stets gegebenen Geschlechterrollen-Aspekte expliziter in die bestehenden Programme zu integrieren.

Die Denkzeit-Trainingsprogramme sind weitgehend manualisiert und modularisiert. Gleichwohl ist die professionelle Arbeitsbeziehung maßgeblich für den großen Erfolg des Verfahrens verantwortlich. Diese Arbeitsbeziehung erfordert eine abgegrenzt-wohlwollende, förderliche, beschämungsfreie, transparente und konfrontations-bereite Grundhaltung der Pädagog_innen. Sie/er muss bereit sein, sich während des Trainings persönlich in das Beziehungsgeschehen mit dem/r Klient_in verwickeln zu lassen, um diese Erfahrungen dann für deren Entwicklungsförderung nutzen zu können.

Module

In den Übungen des ersten Moduls lernt der/die Klient_in, konflikthafte soziale Situationen zu erkennen und gedanklich-emotional zu bearbeiten. Die spezifischen Interventionsstrategien der einzelnen Module zielen darauf ab, den Klienten zu befähigen, sich in zwischenmenschlichen Situationen besser als bisher zurechtzufinden. Auf der Grundlage von evidenzbasierter psychodynamischer Forschung wurde hierzu das Schema eines „Problemlöseprozess“ entwickelt (z.B. Körner und Friedmann 2008). Es stellt die unbewussten und abgespaltenen Wahrnehmungs- und Handlungsprozesse dar, die in sozialen Situationen innerhalb kürzester Zeit ablaufen können. Da die Klient_innen überwiegend zu dissozialem (und dissoziativem) Verhalten neigen, weisen sie in jeder einzelnen Phase dieses Ablaufes besondere Einschränkungen auf. Diese werden systematisch, Schritt für Schritt in geeigneten Übungen bearbeitet.

Die selektive, negative Wahrnehmung von Situationen sowie die Neigung zur feindseligen Projektion, die für die Klient_innen bezeichnend sind, erfahren besondere Aufmerksamkeit. Dabei wird methodologisch in Rechnung gestellt, dass diese feindlichen Projektionen zumeist als Folge von schädigenden frühen Beziehungserfahrungen entstanden sind. Der hieraus regelmäßig entstehende „unerträgliche innere Dialog“ („ich bin nur Dreck“) drängt zur mentalen Abspaltung und Externalisierung per Projektion auf das Gegenüber. Dabei ist die Verquickung dieser Projektionen mit Affekten der Fremdenfeindlichkeit bzw. des gruppenbezogenen Ressentiments von besonderer gesellschaftlicher Relevanz. Denn dies hat auch zur Folge, dass die biografisch bedingten Projektionen häufig vom umgebenden Sozialmilieu zusätzlich bestärkt werden.

Im zweiten Modul der Trainingsübungen lernen die Klienten, ihre Gefühle besser wahrzunehmen, die aufkeimende Aggression zu identifizieren, Körpersignale zuzuordnen und die Stärke der Wut zu differenzieren. Individuelle Strategien werden entwickelt, die in den verschiedenen Situationen des Lebensalltags anwendbar sind. Hierbei wird über die Beziehung zur/m Leiter/in immer auch die Fähigkeit angeregt, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und zu verstehen, dass diese ggf. andere Absichten, Einstellungen und Handlungsgründe haben als man selbst.

Dies kann freilich nicht auf rein verhaltenstherapeutische Weise erfolgen. Vielmehr muss der Lernprozess durch psychodynamische Reflexionserfahrungen der Klient_innen unterlegt sein, die es erlauben, auch die untergründig wirksamen Projektionen, Affektabspaltungen und Ressentiments bewusst nachzuerleben. Demgegenüber sind Straftäter-Programme, die sich auf das Trainieren von alternativen Reaktionsmöglichkeiten in Konfliktsituationen beschränken, kaum nachhaltig wirksam.

Im dritten Modul setzen sich die Klient_innen mit der Frage von „Richtig und Falsch“ auseinander. Allerdings nicht, indem sie von den Pädagog_innen feste Richtlinien erhalten. Vielmehr geht es um die Auseinandersetzung mit moralischen Maßstäben und die Entwicklung einer Strategie des „Darüber Nachdenkens“, die den Klienten anregen soll, den „moralischen Gehalt“ von sozialen Situationen sensibel wahrzunehmen. Es wird im Training häufig mit Dilemmata gearbeitet, deren Bearbeitung aber auf keine „richtige Lösung“ im Sinne der durchführenden Pädagog_innen hinausläuft. Ziel ist es vielmehr, zu einer autonomen Moralvorstellung zu gelangen, die im Jugendlichen selbst fest verankert ist und die kontextuell angepasst werden kann, aber nicht bestechlich ist.

Eine besondere Bedeutung haben der klare, haltgebende Rahmen des Übungsprozesses und die persönlich-professionelle Haltung, aus der heraus der/die Pädagog_in die spezifischen Arbeits- und Beziehungsangebote macht. Alle Vereinbarungen, die getroffen werden, werden mit dem/r Klient_in verhandelt und abgestimmt.

Ein besonderer Schwerpunkt des direkten Arbeitens am Beziehungsgeschehen liegt auf jenen Projektionen (und projektiven Identifikationen), mittels derer Klienten es vermögen, andere Menschen unbewusst dazu zu veranlassen, sich entsprechend ihrer feindlich-negativen Erwartungen zu verhalten.

Die explizit vorgegebenen Übungen des Manuals und die implizite pädagogische Beziehung und interpersonelle Situation mit der/m Trainer_in wirken Hand in Hand.

Die psychodynamisch fundierten Denkzeit-Trainingsprogramme wurde mehrfach wissenschaftlich evaluiert und haben sich im Sinne der Delinquenzreduktion und nachhaltigen Persönlichkeitsentwicklung als nachhaltig wirksam erwiesen. [/two_columns_one_last]

Kontakt Denkzeit-Gesellschaft e.V. Goebenstr. 24 10783 Berlin Tel: 030. 689 15 666 www.denkzeit.com Mail: info[at]denkzeit.com

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